Freitag, 8. Mai 2009

Auflösungserscheinungen im Lokaljournalismus


Wer als freier Mitarbeiter für den Nordkurier arbeitet, dem blieb in den letzten Tagen nichts anderes übrig, als ein Papier mit dem Titel "Rahmenvereinbarung über die Freie Mitarbeit" zu unterschreiben. Darin wird ein völlig neues Arbeitsprinzip für die freiberuflichen Autoren festgeschrieben: Die Redaktion des Nordkurier nimmt ab sofort keine angebotenen Artikel und Fotos mehr an, sondern schreibt auf einer Internetplattform aus, welche Termine etwa zu besetzen und welche Themen zu bearbeiten sind. Die Freien können sich dann um diese ausgeschriebenen Jobs bewerben. Und zwar mit Angabe ihrer Honorarvorstellung. Ein Schelm wer denkt, dass hier Kalkül dahinter steckt. Denn das es hier zu einem ruinösen Preiskampf kommen wird, ist mehr als wahrscheinlich.
Schlimmer als diese bizarre Prozedere, das nicht nur Ausdruck einer Geringschätzung des Berufsbildes des freien Lokaljournalisten ist, sondern vor allem auch jegliche Eigeninitiative der Freiberufler überflüssig macht, sind jedoch die Aussagen des Geschäftsführers des Kurierverlages, Lutz Schumacher, dokumentiert in der SZ vom 8. Mai 2009. Im Verbreitungsgebiet des Nordkuriers gebe es kaum professionelle Freie, die von ihrer Arbeit leben müssten. Für den Verlag arbeiteten in erster Linie Schüler, pensionierte Lehrer und Hausfrauen. "Mit denen kann man es ja machen", drängt sich als gedankliche Fortsetzung auf.
Die zentrale Frage, die sich stellt lautet: Wie will der unter chronischem Auflagenschwund leidende Nordkurier auf Dauer seine Stellung als regionale Qualitätszeitung halten, wenn der Verlag zum einen keine ausgebildeten Redakteure und Autoren beschäftigt, die handwerklich gut geschriebene Geschichten ins Blatt heben? Und wenn er gleichzeitig seine freien Laien mit offenkundiger Geringschätzung behandelt. Offenbar kommt es der Verlagsleitung nicht mehr auf die Qualität der Zeitungsinhalte an. Vielmehr erwecken Schumachers Aussagen den Eindruck, dass es dem Leser seiner Meinung nach sowieso nicht auffällt, wie gut die Texte geschrieben sind. Folgt man dieser Logik, braucht eine Lokalzeitung tatsächlich keine professionellen Journalisten mehr.
Fazit: Die aktuell schwierige Situation der Tageszeitungen führt bei manchen Verlagsmanagern offenbar dazu, dass sie den Glauben ans eigene Produkt verlieren. Was sich hinter den Argumenten von Lutz Schumacher verbirgt, ist nichts anderes, als ein verlegerischer Offenbarungseid. Auf den durch das Internet ausgeübten Druck weiß man sich nur noch zu helfen, indem man die Qualität opfert und auf kostengünstige Inhalte setzt. Das sich die Zeitung dadurch selbst abschafft, fällt da kaum auf. Wenn es etwas gibt, mit dem die Tageszeitung ihre Relevanz unterstreichen und ihre Leser von der Kompetenz der Redaktion überzeugen kann, dann ist es inhaltliche Qualität. Dafür braucht die Redaktion aber professionelle Autoren. Das gilt für bundesweit erscheinende Qualitätszeitungen wie die Süddeutsche und die FAZ, aber auch für regionale und lokale Blätter wie den Nordkurier. Zeitungen, die wie letzterer verfahren, beschleunigen den Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Man kann nur hoffen, dass die Verlagsbranche ihr Selbstbewusstsein nicht völlig verliert, sondern dass sich hier noch Visionäre finden, die erkennen, dass Investitionen in Qualität der einzig Erfolg versprechende Weg sind.

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