Montag, 8. Juni 2009

Wohltuender Realismus - endlich!

Wollte man zählen, wie oft die klassischen Printmedien in den letzten Wochen und Monaten in den Tod geredet und geschrieben wurden - man müsste sich zusätzliche Finger, Hände und Arme anoperieren lassen. Die Vorsichtigen sind besorgt wegen der wachsenden Bedeutung des Internets und befürchten einen damit einhergehenden Qualitätsverlust des Journalismus. Als ob die Güte eines Textes und die Gründlichkeit einer Recherche tatsächlich vom publizierenden Medium abhingen. Die Apokalyptiker unter den Journalisten sehen ihre Gattung gar im Aussterben begriffen und würden das Rad der Zeit am liebsten zurück drehen.

Wie schön ist es da zu merken, dass es noch realistische Stimmen gibt. Diejenigen, die ganz einfach sehen, dass wir mitten in einem tiefgreifenden Medienwandel stecken, dessen Ende und Ergebnis wir noch nicht abschätzen können, der aber sicher nicht den Untergang des Qualitätsjournalismus bedeutet. Einer von diesen Köpfen ist offenbar Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung.
Programmatisch betitelt "Haltung bewahren!" begreift sein in der SZ Online-Ausgabe erschienener Text zum Thema den Medienwandel vor allem als Herausforderung an die Verleger und Journalisten:

"Selbst der Philosoph Jürgen Habermas und Dieter Grimm, der frühere, für die Pressefreiheit zuständige Bundesverfassungsrichter, haben für eine Staatsfinanzierung von Zeitungen geworben. Sie glaubten und glauben an die existentielle Not von Zeitungen - und ihre Antwort darauf ist eine fast verzweifelte demokratische Liebeserklärung. Doch die deutschen Zeitungen brauchen kein Staatsgeld. Sie brauchen Journalisten und Verleger die ihre Arbeit ordentlich machen. Sie brauchen Journalisten, die neugierig, unbequem, urteilskräftig, selbstkritisch und integer sind. Sie brauchen Verleger, die einen solchen Journalismus schätzen, die also von ihren Zeitungen mehr wollen als Geld, die stolz sind darauf, dass sie Verleger sind; und denen dieser Stolz mehr bedeutet als zwei Prozent mehr Gewinn. Und sie brauchen Leserinnen und Leser, denen die gute journalistische Arbeit etwas wert ist - womöglich viel mehr als die Abo-Kosten von heute, um so einbrechende Anzeigenerlöse auszugleichen."

Das Fazit: Anstatt sich davor zu fürchten, was die Zukunft wohl bringen mag, sollten Medienschaffende diese Zukunft aktiv mit gestalten. Nur selbstbewusste Journalisten sind in der Lage, Texte und Bilder zu schaffen, die Leserinnen und Leser interessieren und fesseln. Vor allem aber: Nur Journalisten, deren Budget es erlaubt, können diese Bilder und Texte aus Orten zusammen tragen, von denen es spannende, traurige, glückliche oder Wut auslösende Geschichten zu erzählen gibt. Anstatt sich vorrangig über Marktchancen und Medienkonkurrenz Gedanken zu machen, sollten Verleger also lieber in die Stärke ihrer Redaktionen investieren.

Wo diese Redaktionen ihre Inhalte dann veröffentlichen wird die Zeit zeigen. Und auch ein Geschäftsmodell wird die Zeit wohl bringen, denn wenn die Zeitung als Medium endgültig zu teuer geworden ist und vom Markt verschwindet, dann wird die Lesermasse zwangsläufig ins Netz wandern. Vor allem, wenn neue Technologien das Lesen von elektronischen Texten erleichtern. Denn nur ein Narr kann annehmen, dass das Surfen im Web in 5 oder 10 Jahren noch genau so aussieht wie heute. Wo aber die Lesermasse ist, da wollen auch die Anzeigenkunden sein. Und so werden die Werbeerlöse auch in elektronischen Medien wohl steigen. Es sei denn, der Journalismus hat sich bis dahin selbst beerdigt.

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